Auf der einen Seite beschweren sich Betriebe über den Fachkräftemangel und suchen händeringend nach Lehrlingen, um ihre eigenen Fachkräfte ausbilden zu können. Auf der anderen Seite suchen ebenfalls ca. 10.000 Jugendliche nach einer Ausbildung, werden jedoch nicht fündig. Woran liegt das?
Laut einer Bilanz der Agentur für Arbeit, sowie der Handelskammer und Handwerkskammer wird die Vermittlung zwischen Ausbildungsstelle und Bewerber immer schwieriger.
Das liegt allerdings nicht daran, dass es zu wenige Ausbildungsstellen auf dem Arbeitsmarkt gibt, denn da findet man beispielsweise auf 1A-Stellenmarkt.de oder auf der Seite der Agentur für Arbeit ausreichend. Die Annahme, es gebe dann wohl zu wenige Interessenten einer Ausbildung, kann auch ausgeschlossen werden, denn auch Jugendliche beklagen sich immer wieder darüber, keine passenden Stellenangebote gefunden zu haben.
Ein häufiger Grund, den Arbeitgeber angeben, ist, dass es zu wenige qualifizierte Bewerber und Bewerberinnen gibt. Das heißt, die Wünsche der Bewerber und die Anforderungen der Arbeitgeber an diese passen häufig nicht zueinander. Sie kommen daher nicht auf einen Nenner.
Es kommen also durchaus Bewerbungen in einem Betrieb an, nur leider sind diese im Auge des Arbeitgebers scheinbar unqualifiziert. So zeigt sich, dass viele junge Bewerber mit Hauptschulabschluss oder Migrationshintergrund abgelehnt werden und es zeigt sich, dass die Mehrheit der von Unternehmen abgelehnten Bewerber aus Hauptschülern besteht. So sollte man vielleicht die Aussage „es gibt zu wenige Bewerber“ zu „es gibt zu wenige Bewerber, die in unseren Betrieb passen“ ändern.
Auch Abiturienten zeigen vermehrt Interesse an einer Ausbildung, aber auch sie können nicht alle einen Ausbildungsplatz ergattern. Manche bekommen den vermeintlichen Vorteil, zwischen mehreren Ausbildungsstellen wählen zu können. Und auch, wenn dadurch die Nachfrage an Ausbildungsstellen gestiegen ist: Das Ausbildungsangebot ist ebenfalls gestiegen, so dass viele Stellen trotzdem unbesetzt bleiben. Die Situation der Betriebe verschärft sich weiterhin, denn erfahrene Mitarbeiter der Baby-Boom-Generation gehen im Laufe der kommenden Jahre zunehmend in Rente.
Um den Kontakt zwischen Schulabgängern und Unternehmen herstellen zu können, wurde das „Job-Speed-Dating“ eingeführt. Dadurch sollen Schüler realistische Vorstellungen von den Ausbildungen erhalten und sich besser anhand der Informationen orientieren können. Die neue Methodik erweist sich als gute Schnittstellen zwischen Schulen und Unternehmen. Allgemein soll die Berufsorientierung an Schulen noch weiter ausgebaut werden, denn viele Firmen, welche nicht genug Auszubildende finden, beklagen sich über unklare Vorstellungen von Berufen und Ausbildungen der Schulabgänger.
Auch bemühen Betriebe sich dazu, selbst attraktiver für Auszubildende zu werden. So bieten Betriebe zusätzliche Urlaubstage oder eine höhere Vergütung an. Aber auch Zusatzqualifikationen werden vermehrt angeboten, so wie Kombinationen zwischen Aus- und Weiterbildungen. Ebenfalls sollen Bewerbergruppen wie Studienabbrecher verstärkt angesprochen werden.
Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und die Arbeitsagentur haben sich dafür eingesetzt und mittlerweile auch durchgesetzt, dass eine gesetzliche Festschreibung einer höheren Ausbildungsvergütung eingeführt wird. Ab 2020 sollen Lehrlinge im ersten Lehrjahr eine monatliche Vergütung von mindestens 550 € erhalten und bis 2023 soll die Mindestvergütung auf 620 € angehoben werden. Zudem setzen sich Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und die Arbeitsagentur dafür ein, dass künftig genügend Ausbildungsplätze offen für alle Schulabschlüsse angeboten werden.
Es stellt sich also heraus, dass durchaus genug Bewerber sowie genug Ausbildungsstellen vorhanden sind, allerdings die jeweiligen Voraussetzungen nicht zueinander passen bzw. übereinstimmen. Jedoch sind Betriebe größtenteils darauf fokussiert, eine gute Ausbildungsstelle anbieten zu können, um so viele Bewerber wie möglich anlocken zu können. Wer keine gute Argumentation zu bieten hat, darf sich dann allerdings auch nicht über ausbleibende Bewerbungen wundern.